kinder müssen grundsätzlich obduziert werden

… dies hat zumindest soeben die bürgerschaft in bremen beschlossen. kleines bundesland. wenig relevante fälle. aber sicher mit signalwirkung für die gesamte republik. kinder unter sechs jahren, die eines unklaren todes gestorben sind, müssen also grundsätzlich entsprechend untersucht werden.

hintergrund sind die vielen fälle von kindern, die durch den plötzlichen kindstod, aber auch durch schütteltraumen, durch vernachlässigung zum tode kamen. bisher lag die verantwortung in der hand des auffindenden arztes oder der versorgenden klinik – analog zum vorgehen bei erwachsenen: nur bei „nicht natürlicher todesursache“ oder „unklarer todesursache“ konnte die kripo tätig werden und der richter eine obduktion veranlassen. bei auffinden in der wohnung stand der untersuchende arzt sehr oft dabei unter dem druck der familie, dieses feld nicht anzukreuzen, teilweise wurde die entscheidung umgangen, indem das kind „unter reanimationsbedingungen“ ins krankenhaus gebracht wurde, um dort zu „versterben“, denn dann konnte dort leichter eine obduktion herbeigeführt werden. insofern ist diese entscheidung vor allem ein beitrag zum kinderschutz, aber für uns ärzte auch eine erleichterung in der arbeit, da es nun – zumindest in bremen – keine entscheidung mehr gibt: das kind muss obduziert werden.

30 Antworten auf „kinder müssen grundsätzlich obduziert werden“

  1. Es gibt doch für den feststellenden Arzt doch keine Alternative anlässlich einer Kindesleiche etwas anderes als „nicht natürlichen Tod“ zu bescheinigen, wenn keine lebensbedrohlichen Vorerkrankungen vorliegen.

    Der Totenschein gibt doch sogar das „jugendliche Alter“ als Grund für „nicht natürlichen Tod“ vor.

    Wenn der Arzt aus Rücksichtnahme „natürlichen Tod“ bescheinigte, wäre das sicherlich strafbar.

  2. An sich ist das keine schlechte Sache und wird viele vertuschte Fälle aufdecken.
    Für mich wäre es das schlimmste wenn man mir mein Kind wegnehmen würde, weil sind wird doch einmal ehrlich nach 24 Stunden hat eine Leiche schon nichts mehr Menschliches an sich wenn noch mehr Zeit vergeht weil der Rechtsmediziner viel zu tun hat, ist schlichtweg nichts mehr von der eigentlich Persönlichkeit vorhanden.
    Es ist ja nicht so das die unschuldigen Eltern sich noch stundenlang von ihrem Kind Abschied nehmen könnten, wenn man mal realistisch ist kommt der Bestatter packt das Kind ein und das war es!
    Die Vorstellung ein Kind zu verlieren ist so ziemlich das schlimmste was einem passieren kann, aber mir würde schon reichen das mein Kind im Kh sterben müsse…. Ich glaube ich würde es einpacken und erstmal nachhause fahren!
    Lieber Gott schütze meine Kinder…

  3. Ich dachte, das wäre schon längst so? Ich habe mich mal studienbedingt über ein paar genetische Geschichten informiert und dabei auch Lebensgeschichten Betroffener gelesen. Da tauchte das mehrfach auf, dass die Kinder wenn sie verstarben immer obduziert werden mussten. Jedenfalls wurde das den Eltern so gesagt.

  4. hallo,

    die eltern haben ein einspruchsrecht gegen die obduktion, die ja auch „nur“ dann durchgefuehrt werden muss, wenn die todesursache nicht eindeutig ist. ein richter entscheidet dann darueber, ob obduziert wird oder nicht.
    und lieber, so hart wie es sich anhoert, ein paar eltern zu viel unter generalverdacht, als kindermoerder weiter frei herumlaufen zu lassen.

    beste gruesse

    h.

  5. Also da bin ich auch im Zwiespalt…
    Finde es auch gut, dass die kInder obduziert werden, damit man Gewalt als Ursache ausschließen kann. Schließlich kann so ein Verbrecher hinter Gitter kommen.
    Aber es hat auch einen faden Beigeschmack für mich: Irgendwie hab ich das Gefühl, dass dann alle Eltern, deren Kinder zu früh versterben unter Generalverdacht stehen. Wie gesagt nur gefühlt, aber wenn ich mir vorstelle in der Sit zu sein, käm ich mir schon vor, als würde ich unter Verdacht stehen mein Kind getötet zu haben. Auf der anderen Seite, wenn das Kind plötzlich tot war, vllt findet sich eine greifbarere Diagnose als plötzlicher Kindstod…

    1. Tinele, er Aspekt im letzten Satz erscheint mir besonders bedenkenswert: Für die Eltern ist ein plötzlicher Tod des Kindes ein Schock und sie stellen sich sicherlich die Frage: „Was haben wir falsch gemacht.“ Hier kann eine Obduktion zumindest in dieser Hinsicht Frieden herstellen und Platz machen für die eigentliche Trauerarbeit.

      Und was das eigentliche Trauern betrifft: Das Kind wird doch nach der Untersuchung nicht „in den Müll“ geworfen. Da sind dann auch Bestatter (hallo Tom, liest Du mit?) gefordert.

      Ich bin froh und dankbar, dass dies bei meinen Kindern nicht geschehen ist und hoffe, auch in Zukunft (bei kommenden Enkeln) davon verschont zu bleiben.

      Herzliche Grüße
      Hajo

      1. Okay da hast du auch bzw. Habt ihr auch wieder Recht. Besonders, dass die Eltern dann Gewissheit haben nix falsch gemacht zu haben, überzeugt mich. Von der Seite hab ich es noch nicht gesehen.

    2. Nee, finde ich gar nicht. Wenn sowieso alle Minderjährigen obduziert werden, gibt es doch gerade keinen Generalverdacht. Das ist eben einfach so. Ich würde auch das Alter hochsetzen – ala DDR.

    1. organspende ist nur möglich, wenn der kreislauf noch am leben erhalten ist, also z.b. im krankenhaus unter intensivbedingungen, oder beim versterben während einer op. eine organspende bei einem tot aufgefundenen kind ist imho nicht möglich.

      1. Aber durch dieses Gesetz müssten auch diese Kinder, die während einer OP sterben, obduziert werden und können daher keine Organe „liefern“, oder?
        Das ist gerade das Problem, dass ich mit diesem Gesetz habe. Dass es dann NULL Organe von Kindern unter 6 Jahren gibt – obwohl das jetzt sicherlich schon viel zu wenig sind.

        1. Organ“spende“ von Unmündigen? Ethisch zumindest fragwürdig. Davon mal abgesehen: Kinder, die sterben, sind meist krank, seltener verunfallt. Von Kranken wird man kaum Organe verwerten können.
          Und wenn man’s kann, muß dem jemand zustimmen.
          Wenn ein Mensch in der OP stirbt, drängt sich die Obduktion auch schon fast auf, allein schon um ein eventuelles Verschulden der OP-Mannschaft auszuschließen (oder auch nicht – was dann bedeutet, ggfs. einen Kurpfuscher aus dem Verkehr zu ziehen).
          In jedem Fall wird ein solches Gesetz nicht viele Organe „kosten“.

          Bei der Organentnahme, bitte ich zu bedenken, wird der gerade verstorbene Mensch ganz schnell zum Ersatzteillager, nur bitte die Kühlkette nicht unterbrechen.
          Und überhaupt, Spenderorganmangel ist ein Problemchen der Wohlstands-Industriegesellschaft. In der Dritten Welt gibts Organspenden ohne Ende, man muß nur einen Hunderter auf den Tisch legen; aber DORT will irgendwie niemand so ein Organ haben…
          Ich glaube, ganz ehrlich, ohne Transplantationen wäre die Welt nicht wirklich ärmer.

          1. was ist daran fragwürdig? schließlich gibt es auch genug kinder, die auf „ein organ warten“. und die eltern haben nun einmal die entscheidungsfreiheit hierzu.
            tut mir leid: dein einstellung gegen organspende kann ich nicht nachvollziehen und du wirst auch kaum einen mediziner finden (der nicht bereits „intensiv“ oder onkologisch gerarbeitet hat), der diese meinung teilt.
            und sicher kann man von kranken organe „verwerten“.
            vergleich mit der dritten welt: autsch.

          2. Mein Gott Wolfram,
            da spricht aber gesundes Halbwissen mit…
            Logisch kann man auch Organe von Kranken nehmen!
            Ich glaube wir sprechen uns noch mal wenn du 5 Jahre lang 3 Tage die Woche 4-6 Stunden an der Dialyse sitzt!

  6. Ich habe vorsichtshalber nochmal gegoogelt, aber die Erinnerung stimmt – in der DDR gab es die Obduktionspflicht für alle Todesfälle bei Kindern bis 16.
    Das hätten sie doch gleich mal lassen können, aber neee…

    Es ist irgendwie schrecklich, aber auch wichtig. Es muss für den Rechtsmediziner furchtbar sein, ein Kind vor sich liegen zu haben, das eigentlich spielen und lachen sollte.

  7. Ich finde das klingt ja recht gut. Ich glaube auch das es wohl viele Dunkelziffern etwas kleiner machen kann wenn sowieso eine Obduktion gemacht wird. Ein Hintergedanken der mir allerdings kam ist was kostet das alles? Ich hab da ja gar keine Ahnung von, doch ist das doch bestimmt auch ein Kostenpunkt wenn das überall so gehandhabt wird und von wem werden solche Kosten getragen?

  8. Ich finde es auch gut, dass die Kinder obduziert werden. Und hoffe auch, dass genügend „Fälle“ aufgedeckt werden, bei denen Kinder gewaltsam (teilweise leider durch die Eltern/Lebensgefährten oder sonst jemand) gestorben sind.

    Warum man nicht von seinem Kind Abschied nehmen können soll, versteh ich nicht. Das Kind wird ja wohl nicht im Bruchteil einer Sekunde mitgenommen werden oder soll tagelang getrauert werden (in Anwesenheit des verstorbenen Kindes)?

    1. Hallo,
      leider ist das schon so, das wenn ein Leichnam beschlagnahmt wird, haben da andere Menschen nichts mehr dran zu suchen.
      So schnell wie die Leiche zur Gerichtsmedizin abgeholt wird kannst du echt nicht gucken…
      Und ich denke auch das eine Verabschiedung ja nicht so aussehen sollte, wie wenn man das Kind zum Kiga bringt….Das kann dann schon mal über Stunden oder sogar einen Tag lang gehen..

  9. Ich denke mal, dass Ärzte genug Verantwortung haben und so ist die Entscheidung, ihnen gerade DIESE Entscheidung abzunehmen, nur zu begrüßen.
    Das bedeutet nicht, dass man Ärzte per se für unfähig hält: diese sollten sich um ihre lebenden Patienten kümmern können, ohne sich Gedanken um diese Entscheidung machen zu müssen.

  10. „der untersuchende arzt [steht] sehr oft dabei unter dem druck der familie“
    Ja, und? Dann sollte der untersuchenede Arzt mal Rückgrat beweisen, oder sich einen anderen Job suchen. Vielleicht als Kindergärtner…

    1. ah, ja Erzieher brauchen ja kein Rückgrad *ironie*

      Ich erinnere mich an einen Fall von sexuellem Missbrauch, wir haben dafür gesorgt, dass das Kind aus der Familie kam. Der Vater stellte mir nach. Zum Glück landete er dann in U-Haft…..

      Zum Thema, das ist gut und wichtig und ein Schritt in die richtige Richtung!

  11. Hmmm ich lebe in Kreisen von diversen Syndromkindern, die oft eine bekanntermaßen lebensverkürzende Diagnose haben. Mit dieser Regelung entreißt man diesen Eltern die Kinder, die dann erwartet und dann doch so plötzlich gestorben sind, die Möglichkeit zu Hause von ihren Kindern zu verabschieden, was viele als als wichtigen Verarbeitungsschirtt sehen. Statt dessen wird mit einem latenten Vorwurf das Kind weggenommen.

    Alles toll, alles klasse und jedes Kind sollte obduziert werden, können nur Leute sagen, die solche Situationen nicht kennen und nur unter gesunden Kindern leben.

    Schöne Grüße

    1. Erstes wird bei solchen Kindern kein latenter Vorwurf dahinterstecken
      Zweites lebe ich mit und unter und sogar zwischen „solchen“Kindern, aber ich lebe eben auch unter Kindern, bei denen ICH nicht die Hand ins Feuer legen würde, dass sie einen natürlichen Tod sterben werden.

  12. Die Entscheidung der bremer Bürgerchaft ist zumindest mal ein Anfang. Idealer Weise sollte ein staatlicher Leichenbeschauer jeden Verstorbenen begutachten.

    Grüße!

  13. Ein echter Zwiespalt finde ich.
    Wenn ein Kind wirklich durch Gewalt (aus dem familiären Umfeld) zu Tode gekommen ist, ist es bestimmt wichtig das abzuklären. Schon um evt vorhanden Geschwister schützen zu können.
    Aber wenn Eltern ihr Kind unverschuldet (SIDS o. ä.) verloren haben, dann ist die Vorstellung, dass es aufgeschnitten wird, der absolute Horror.

    1. Da aber die Todesursache nur in den wenigsten Fällen so eindeutig ist, ist eine Obduktion notwendig. Insbesondere damit man weiß, ob nicht zuviel fälschlicherweise auf SIDS geschoben wird. (Habe keine Daten zur Hand, meine aber mal gelesen zu haben, das SIDS (zu?) vorschnell diagnostiziert wird.)

    2. Aber danach hat man Gewissheit – das ist viel wert.

      Beim Tod meines Vaters haben wir die Obduktion dann selbst angeleiert, nachdem der Hausarzt erst ziemlich rumgeeiert ist (ja, nein, doch nicht, *haarerauf*).
      Zu wissen, WAS letztlich die Todesursache war, macht die Trauer irgendwie erträglicher.

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