Wenn der Kopf brummt

Überraschung! 171/366

Dass Kinder auf den Kopf fallen, ist der häufigste Unfallvorgang im Kindesalter. Abgelöst wird das im Schulalter durch Sportunfälle: Stürze beim Fussball, Rangeleien auf dem Schulhof, beim Skifahren.

Ich habe in der Praxis den Eindruck, diese Prellungen des Kopfes werden zu sehr auf die leichte Schulter genommen. Als ich vor über zwanzig Jahren in einem, sagen wir, prekären Vorort einer englischen Großstadt meine Arztpraktikum absolvierte, waren wir Assistenten in der Notfallambulanz angehalten, jeden Sturz sehr ernst zu nehmen und die Eltern auch bei Entlassung genau zu briefen. Und Stürze gab es dort viele.

In meiner Ausbildung in Deutschland waren alle viel entspannter. „Das passiert eben“, „die Schädel halten das aus“ waren häufige Sprüche. Naja. Auch in den Sportvereinen meiner Kinder sehen das die Betreuer eher gelassen.

Daher freue ich mich, dass das Thema „Gehirnerschütterung“ durch neue Initiativen wieder mehr in den Focus gerückt wird:

__________________________

„Eine Gehirnerschütterung ist eine leichte Verletzung des Gehirns, die durch einen Schlag oder Stoß auf den Kopf entsteht. Kopfschmerzen, Übelkeit, aber auch emotionale Probleme können die Folge sein.

„Die Anzeichen für eine Gehirnerschütterung reichen von Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Gleichgewichts- und Sehstörungen, Licht- und Lärmempfindlichkeit über Schlafstörungen, Schwierigkeiten beim Denken, emotionale Probleme bis hin zu Bewusstlosigkeit.

Weinen ohne Grund kann auch ein Zeichen sein. Bei Krämpfen, Schwäche in den Gliedmaßen, verwaschener Sprache und Verwirrtheit sollte umgehend eine Ambulanz gerufen werden“, rät Dr. Hermann Josef Kahl, Kinder- und Jugendarzt sowie Bundespressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Die Symptome können auch zeitverzögert auftreten.

Das Gehirn ist im Schädel von einer schützenden Flüssigkeit, dem sogenannten Liquor, umgeben. Schlägt der Kopf mit großer Geschwindigkeit auf einen harten Gegenstand oder wird der Kopf durch einen Stoß heftig bewegt, kann das Hirn trotzdem an den Schädelknochen prallen. Es gehen neuronale Verbindungen im Gehirn verloren. Diese können sich nur mit ausreichend Erholungszeit – etwa sechs bis zehn Tage je nach Schwere der Gehirnerschütterung – wieder regenerieren. Wiederholte Erschütterungen führen aber zu Entzündungsreaktionen, und es sterben Gehirnzellen ab. „Nach etwa zwei bis vier Tagen Ruhepause können Schüler evtl. wieder in die Schule gehen – vorausgesetzt, sie können sich eine Dreiviertel bis zwei Stunden ohne Verstärkung von Kopfschmerzen und anderen Beschwerden geistig beschäftigen, wie z.B. lesen. In die Schule sollten sie aber nur dann, wenn sie die Anstrengungen schrittweise anpassen und Ruhezeiten in der Schule einhalten können. Dafür kann eine schriftliche Empfehlung des Arztes hilfreich sein“, so Dr. Kahl.

Folgende Maßnahmen können den Schulalltag erleichtern: Regelmäßige Pausen, geringe Gewichtsbelastung z.B. durch den Schulranzen, Wahl eines Sitzplatzes fern vom Fenster (lichtarm), evtl. Aufsetzen einer Sonnenbrille, zunächst Sportverzicht, Nutzen von Rolltreppen und Fahrstuhl, Vermeidung unnötiger Geräuschbelastung oder evtl. Tragen eines Hörschutzes, minimaler Gebrauch von Computer, Handys und sonstigen Bildschirmen sowie Einschränkung des Lesens.

Die Initiative „Schütz Deinen Kopf!“ der ZNS-Hannelore-Kohl-Stiftung empfiehlt ein 5-Stufen-Programm:

  • Stufe 1: keine geistige Aktivität,
  • Stufe 2: 5- bis 15-minütige geistige Aktivitäten,
  • Stufe 3: Erhöhung der geistigen Tätigkeiten mit 20- bis 30-Mintuten-Intervallen,
  • Stufe 4: schrittweiser Schulbeginn mit 1 bis 2 Stunden Konzentrationszeit,
  • Stufe 5: Wiederaufnahme der vollen geistigen Arbeit und Beginn des Zurück-zum-Sport-Protokolls.

Quellen: Unfallchirurg, GET – Gehirn Erschüttert? TestApp, 5-Stufen-Programm der Initiative „Schütz Deinen Kopf!“ der ZNS-Hannelore-Kohl-Stiftung, HealthDay
__________________________

Dies ist eine Pressemeldung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V.

(C) Foto bei Flickr/Dennis Skley (unter CC Lizenz CC BYND 2.0)

7 Antworten auf „Wenn der Kopf brummt“

  1. Auch wenn es sicher sehr viele Gehirnzellen und Synapsen gibt, die eine solche Gehirnerschütterung durchstehen können, ist das für den oder die Betroffene(n) sicher sehr sehr unangenehm. Neulich las ich ein sehr interessantes Buch namens „Das glückliche Gehirn“ von einem Herrn Amen. Ich muss Euch sagen, es hat mich ziemlich beeindruckt, nicht zuletzt, weil auch auf Schädigungen im Gehirn durch externe und interne Ursachen sehr detailliert eingegangen und erklärt wird, was man dagegen tun kann. Nunja, vielleicht hilft es ja jemanden. LG Marten

  2. Hatte selbst eine Gehirnerschütterung als Kind. Bin gegen ein Kind geknallt das geschaukelt hat (ich war ein sehr dummes Kind). Tag lief danach normal, nur das ich dann am Abend zusammengebrochen bin. Also Notarzt und 4 Tage Krankenhaus waren die Folge.

  3. Wie macht man das eigentlich, „keine geistige Beschäftigung“? Wie kann ich mir das vorstellen? Selbst so etwas Passives wie Vorlesen erfordert ja für den Zuhörer eine gewisse geistige Anstrengung…

    1. Eine meiner Klientinnen war vor einiger Zeit im Krankenhaus. Mit ihr im Zimmer lag ein Mädchen (ca. 10 oder 11) mit Gehirnerschütterung. 4 Tage ist sie da geblieben, durfte nicht fernsehen und nicht lesen. Ihre Mutter kam abends nach Feierabend vorbei. Keine Ahnung, wie das arme Kind die Zeit rumgekriegt hat.

      1. Ah, ok. Und wenn Vorlesen geht, ist sicher auch Tagträumen erlaubt, und vielleicht sogar eine gewisse Zeitlang ruhige Hörbücher. Dann kann ich mir das zumindest annähernd vorstellen.
        Trotzdem, ich hoffe v.a. im Fall meines unermüdlichen Chaoskindes, dass das nie nötig wird…

  4. Ich bekam in den 1970ern einen Balken gegen den Schädel,habe aufgrund der Plötzlichen Erblindung gebrüllt wie am Spiess,wurde mit dem Allheilmittel vom Dorf ,einer Flasche Korn,gereinigt und wieder zu einem sehenden gemacht,mit einem Nassrasierer wurden die Haare geschoren,die Wundränder wurden zusammengedrückt,Hansaplast auf die Wunde,Kopfschmerzpulver in den Mund und dann ab ins Bett.Nach einigen Tagen konnte ich wieder ohne Karussell im Kopf herumlaufen.Ach ja ich war irgendwo zwischen 5 und 7 Jahre alt.

    und die Kinder heute,so zieht man Weicheier heran………..

    Ironie off

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von Kinderdok.blog

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen